eProcurement

Definition: Was ist eProcurement?

eProcurement ist ein Begriff aus dem B2B-Umfeld und steht für electronic Procurement, womit die elektronische Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen gemeint ist. Durch den Einsatz von eProcurement werden die Prozesse und Tätigkeiten im Einkauf, wie man sie von früher kennt z.B. ausgedruckte Bestellformulare, Kataloge sowie Preislisten aus Papier, vollständig digitalisiert.

 

Klassischer Beschaffungsprozess

Zum klassischen Beschaffungsprozess zählen standardisierte Schritte:

  • Bedarfsanalyse
  • Analyse potenzieller Beschaffungsmärkte
  • Auswahl geeigneter Beschaffungsmarktsegmente
  • Suche potenzieller Lieferanten
  • Analyse potenzieller Lieferanten
  • Vertragsverhandlungen
  • Vertragsabschluss
  • Bestell-/Beschaffungsprozess
  • Lieferung
  • Rechnungsstellung
  • Bezahlung

Der Beschaffungsprozess ist aufwändig, enthält viele manuelle Schritte und mannigfaltige Schnittstellen zu internen Abteilungen. Unternehmen stellen von papierbasierter Beschaffung auf ein „papierloses Büro“ und automatisierte Prozesse um, wo Bestellscheine überflüssig sind und möglichst alle Informationen bzw. Daten elektronisch fließen.

 

Digitalisierung des Beschaffungsprozesses

Im Rahmen der Digitalisierung wird der gesamte Beschaffungsprozess effizienter gestaltet. Sämtliche Schritte werden innerhalb eines Procure-to Pay-Prozesses abgebildet. Unternehmen können Bestellungen über ERP-Systeme in die eigene Datenbank einpflegen. Ratsam ist, spezifische Einkaufslösungen und Tools anzudocken, die zukunftsfähig sind. Via Open Catalog Interface (OCI) – einer standardisierten, offenen Datenschnittstelle – gelangen Bestelldaten automatisch in das ERP-System des Unternehmens. Systemkonforme Bestellungen und anschließende Verbuchungen werden möglich.

 

Ziele von elektronischer Beschaffung

Ziel ist die Vereinfachung des Bestellprozesses ohne Medienbrüche und die daraus resultierende Beschleunigung des Bestellvorganges. Dadurch ist es möglich, die Kosten der Beschaffung zu senken, mehr Transparenz zu erlangen sowie eine deutliche Zeitersparnis über den gesamten Beschaffungsprozess der Einkaufsorganisation zu erzielen.

 

Vorteile von eProcurement

Die elektronische Beschaffung hat in erster Linie wirtschaftliche Vorteile für das Unternehmen. Neben reduzierten Prozesskosten werden Einkaufsorganisationen im operativen Tagesgeschäft entlastet, sodass strategische Tätigkeiten wieder in den Fokus rücken. Routineaufgaben werden durch eProcurement automatisiert oder gänzlich überflüssig.

  • eProcurement-Systeme sind für alle Branchen und Unternehmensgrößen einsetzbar (Voraussetzung ist ein ERP-System)
  • Erhöhung der Planungs- und Versorgungssicherheit
  • Sämtliche Informationen können in Echtzeit ausgetauscht werden
  • Die Vergabe und Einhaltung von Freigaberechten werden optimiert: Niemand kann ohne entsprechende Rechte Bestellungen durchführen
  • Unternehmensweite, standardisierte Einkaufsprozesse unter Berücksichtigung aller Restriktionen
  • Reduzierung der überproportional hohen Transaktionskosten bei der Beschaffung von C-Teilen
  • Reporting: Die Daten der Bestellungen können den Einkauf unterstützen
  • Bessere Datenqualität (Produktbilder, Produktbeschreibungen etc.) im Unternehmen sowie von Lieferanten
  • Weniger Erfassungsfehler durch die elektronische Übermittlung: Mitarbeiter können Informationen nicht falsch abschreiben
  • Freitextbestellungen werden minimiert sowie geschäftsschädigendem Maverick Buying vorgebeugt
  • Lieferbedingungen und Zahlungsvereinbarungen mit einzelnen Lieferanten müssen nicht immer wieder neu ausgehandelt werden
  • Höhere Transparenz: Angebote schnell und einfach miteinander vergleichen
  • Aktuelle Datenbanken z.B. in Bezug auf die Lagerbestände

 

Risiken von eProcurement

Bei der professionellen Beschaffung von Dienstleistungen und Gütern fließen unternehmenskritische Informationen von einer Transaktionsseite zur anderen. Deshalb ist es unerlässlich, dass die Übertragung sicher und zuverlässig abläuft. Unternehmen müssen für eProcurement neue Systeme integrieren, wodurch im ersten Moment zusätzlicher Aufwand entsteht und sich der Workflow der Einkaufsorganisation ändert. Wird die interne Umstellung im Vorfeld nicht ausreichend kommuniziert, kann dies zu schlechter Akzeptanz oder sogar Ablehnung seitens der Mitarbeiter und Lieferanten führen. Es muss sichergestellt werden, dass alle Mitarbeiter in das neue System sorgfältig eingearbeitet werden, sodass ein problemloser Umgang im Geschäftsalltag gewährleistet ist. Zudem sind neue Kompetenzen zur Wartung, Steuerung und Weiterentwicklung des eProcurement-Systems nötig und elektronische Kataloge müssen regelmäßig aktualisiert werden.

 

Varianten von eProcurement-Systemen

Generell wird zwischen drei Varianten von eProcurement-Systemen unterschieden, die je nach Ausrichtung unterschiedliche Funktionen erfüllen. Grundsätzlich muss beachtet werden, dass für eProcurement-Lösungen ein ERP-System benötigt wird. Die Kommunikation zwischen diesen Systemen von verschiedenen Unternehmen bildet die Basis eines jeden eProcurement-Projekts. Es empfiehlt sich deshalb auf einheitliche und anerkannte Standards zu setzen. Das erleichtert die Umsetzung sowie den Aufwand bei der Integration einer eProcurement-Lösung in das bestehende System.

 

Lieferantensysteme (Sell-Side-Lösungen) wie Online-Shops

Um ein Lieferantensystem nutzen zu können, muss der Kunde bestimmte Anforderungen erfüllen, die vom Lieferanten vorgegeben sind. So ist beispielsweise eine Registrierung im System des Lieferanten erforderlich oder es muss aus Sicherheitsgründen eine VPN-Verbindung eingerichtet werden.

Nach der Registrierung, ähnlich wie in einem Online-Shop, hat das Unternehmen Zugriff auf interne Kataloge des Lieferanten und kann direkt dort online bestellen. Nachteil: Eine Integration in die eigene Datenbank durch ERP-Programme ist nur bedingt möglich.

 

Beschaffersysteme (Buy-Side-Lösungen) wie Desktop-Purchasing-System

Bei Buy-Side-Lösungen definieren die Beschaffer, also die bestellenden Unternehmen, die Anforderungen an den Lieferanten. Das bezieht sich sowohl auf die inhaltlichen Vorgaben zu Lieferdatum, Lieferumfang und Wiederholung der Lieferungen als auch auf die technischen Anforderungen bezüglich der Kataloge. Lieferanten stellen die Informationen über ihre Waren und Leistungen elektronisch bereit. Über ein Desktop-Purchasing-System (DPS) werden die externen Kataloge der Lieferanten in die eigenen ERP-Systeme eingepflegt, und die Mitarbeiter bestellen direkt über das eigene Open Catalog Interface (OCI).

Zu bedenken ist der erhöhte Aufwand für die Katalogintegration. Nicht jeder Lieferant erfüllt die technischen Anforderungen, um in ein DPS eingepflegt zu werden, was den Lieferantenpool automatisch kleiner macht.

 

Elektronische Marktplätze (Many-to-Many-Lösungen)

Die dritte Option für eProcurement-Systeme sind elektronische Marktplätze. Hier bieten Unternehmen und Lieferanten genormte Schnittstellen zum elektronischen Datenaustausch an. Dieser ist mit einer Gebühr verbunden. Unternehmen und Lieferanten haben hier die Möglichkeit, aus einem großen Pool an Geschäftspartnern auszuwählen. Sie sparen Kosten, da das Einrichten eigener Systeme entfällt.

Nachteilig an Many-to-Many-Lösungen ist die erschwerte Datenintegration in hauseigene Systeme, da alle Daten in erster Linie online zur Verfügung stehen. Außerdem müssen Unternehmen auch bei dieser Lösung mit Kosten rechnen, da der Abruf von Daten jedes Mal mit Kosten verbunden ist.

 

Praxisbeispiel eines Beschaffungsprozesses über eProcurement

Wenn ein Unternehmen von einem bestimmten Zulieferer die Rohstoffe für die Herstellung eines Produkts benötigt, bestellt der Einkauf in der Regel dort seine Produkte auf regelmäßiger Basis. Der Zulieferer wünscht sich eine standardisierte Datenvorhaltung, um die Kommunikation mit den Kunden effizient und unkompliziert gestalten zu können. Eine automatische Schnittstelle wird dann von beiden Parteien genutzt, um folgende Informationen auszutauschen:

  • Warenbestände beim Kunden
  • Lieferlisten
  • Mengenangaben für einzelne Waren
  • Rechnungsbeträge inklusive Zahlungsziel

Diese Datenbanken können über ERP-Systeme in beiden Unternehmen direkt integriert werden, so dass alle Mitglieder Zugriff auf die Datenbanken haben. Bei einer Buy-Side-Lösung greift das Unternehmen über einen internen Katalog auf die Daten des Lieferanten zu, bei einer Sell-Side-Lösung hingegen über das interne System des Lieferanten.

 

Der Beschaffungsprozess unter Anwendung eines Desktop Purchasing Systems (DPS)

Ein Desktop-Purchasing-System kommt immer dann zum Einsatz, wenn die elektronische Beschaffung über eine Buy-Side-Lösung funktioniert. DPS werden mit dem internen ERP-Programm vernetzt, sodass die Daten aus der Datenbank des Unternehmens direkt umgesetzt werden können. Folgende Schritte werden mit einem DPS unterstützt:

  • Auswahl des Lieferanten
  • Warenbestandsüberprüfung
  • Überprüfung der Bestellung
  • Autorisierung des Bestellenden
  • Übertragung der Bestelldaten

Die Rechnungsabwicklung wird nicht durch ein DPS unterstützt, allerdings kann die Rechnung direkt in das ERP-System eingepflegt werden.

 

Optimierter Beschaffungsprozess über Procure-to-Pay-Integration

Eine Procure-to-Pay oder Purchase-to-Pay-Integration (P2P) bietet dem Einkäufer Unterstützung bei der gesamten Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen. Das heißt, dass über ein Procure-to-Pay-System sowohl der Beschaffungsprozess als auch der Lieferprozess sowie Zahlung und Buchhaltung abgewickelt werden. Die Daten werden zudem automatisch in die eigene ERP-Datenbank übertragen. So werden Fehlerquellen minimiert. Weitere Vorteile:

 

Weniger Freitextbestellungen

Freitextbestellungen entstehen nicht aus einem Katalog heraus. Es handelt sich dabei um individuelle Beschreibungen des gewünschten Produktes in Textform. Diese Art der Bestellung erzeugt Schattensortimente. Diese Güter sind in der Datenbank von Unternehmen nicht erfasst und somit nicht im Lagerbestand aufgeführt.

Bei einer Procure-to-Pay-Integration im Rahmen der elektronischen Beschaffung stellen Lieferanten sämtliche relevanten Katalogdaten elektronisch bereit. Und alle Besteller bestellen ausschließlich über die Kataloge, die im internen System integriert sind, also über sogenannte Punch-out-Kataloge. So können Freitextbestellungen vermieden und alle bestellten Waren automatisch im unternehmenseigenen System erfasst werden.

 

Weniger Maverick Buying

Maverick Buying bezeichnet die Beschaffung außerhalb standardisierter Beschaffungswege. Das heißt, dass unterschiedliche Abteilungen Waren und Materialien bestellen, ohne den Einkauf in die Bestellung einzubeziehen und ohne die Lagerbestände vorab zu kontrollieren. Pflegt ein Unternehmen nun alle Lagerbestände durch eine Procure-to-Pay-Integration in das eigene ERP-System ein und sind Bestellungen ausschließlich über dieses System möglich, wird Maverick Buying konsequent verhindert.

 

Aus Bestellanforderern werden Besteller

Die elektronische Beschaffung trägt dazu bei, Prozesse zu vereinfachen und zu beschleunigen. In einem ERP-System ist es möglich, verschiedenen Abteilungen und den dort tätigen Mitarbeitern die Berechtigung zu erteilen, eine Bestellanforderung zu erstellen. Die Bestellanforderung geht an die Einkaufsabteilung, wo sie geprüft und die Bestellung schließlich beim Lieferanten aufgegeben wird.

Innerhalb des Systems ist es möglich, die Berechtigungen für die Auslösung einer Bestellung so zu verteilen, dass Bestellanforderer selbstständig die Bestellung beim Lieferanten aufgeben dürfen.  Diese Berechtigung kann zum Beispiel auf bestimmte Artikel oder auf einen maximalen Bestellwert beschränkt werden.